Der französische Zeichner und Radierer Jean-Jacques de Boissieu genoss schon zu Lebzeiten europaweit hohes Ansehen bei Sammlern, Künstlerkollegen und im Hochadel. Sein vielfältiges Œuvre umfasst neben Landschaftsdarstellungen und Genreszenen auch Interieurs und Portraits. Wegen seines virtuosen Umgangs mit dem Hell-Dunkel-Kontrast (chiaroscuro) wurde er mit Rembrandt verglichen.

Die über 100 Blätter umfassende Ausstellung erlaubt es nun, das künstlerische Schaffen Boissieus neu zu entdecken. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem ganz eigenen Umgang des Künstlers mit der Darstellung des Menschen und auf seiner spezifisch neuen Art der Landschaftsdarstellung – beides vor dem Hintergrund der revolutionären, maßgeblich durch Jean-Jacques Rousseau (1712-1768) geprägten Gedankenwelt der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Vom bekannten Pariser Kupferstecher, Verleger und Kunsthändler Johann Georg Wille (1715-1808) protegiert, kam der zunächst in Lyon zum Seidenmaler ausgebildete Boissieu in Kontakt mit den wichtigsten in der Hauptstadt ansässigen Kunstsammlern, denen er sich als Reproduktionsstecher sowie als versierter Landschaftsradierer empfahl. Entscheidend für Boissieus künstlerische Entwicklung wurde seine Italienreise, die er im Gefolge des Herzogs de La Rochefoucauld unternahm. Die dort gewonnenen Eindrücke prägten Boissieus Stil zeitlebens.

Für die Motive der meisten seiner Bilder ließ sich Boissieu vom Umland seiner Heimatstadt Lyon inspirieren. Daneben orientierte er sich, wie viele Künstler seiner Zeit, auch an der niederländischen Malerei des „Goldenen Zeitalters“, die ihm kompositorisch und motivisch als Vorbild diente. Seine Nachstiche ausgewählter Gemälde gehen weit über bloße Reproduktionen hinaus, denn teilweise veränderte Bosissieu die Werke durch das gezielte Weglassen oder Hinzusetzen einzelner Figuren(-gruppen) und verlieh den Bildern durch seine charakteristische Behandlung von Licht und Schatten neues Leben.

In seinen Landschaftsgraphiken ging es Boissieu um eine Darstellung fernab von hektischer Betriebsamkeit und Theatralik, unter Hervorhebung der Erhabenheit und zugleich der Vergänglichkeit der Natur.

Neben der Landschaft spielt vor allem die Auseinandersetzung mit dem Menschen die größte Rolle in Boissieus Werk. Er zeigt Personen seines Umfelds in typenhaften Porträtstudien, schaut auf die Interaktionen von Kindern und Älteren oder beobachtet die Landbevölkerung bei ihrem beschaulichen Tun. Die Welt in Boissieus Kunst ist eine friedvoll-arkadische.

Boissieus Radierungen wurden vielfach zum Selbststudium der Radierkunst verwendet oder dienten als direktes Vorbild für neue Kunstwerke. Nach dem Tod des Künstlers waren es neben seinen Landschaften besonders die in Anlehnung an Rembrandt vielfigurig gestalteten Blätter, die als Vorlagen für die druckgraphische Reproduktion beliebt waren. Hervorzuheben ist hier der Rembrandt-Forscher Ignace-Joseph de Claussin (1795-1844), der faksimileartige Nachstiche von Boissieus Zeichnungen ausführte. Auch noch Adolph Menzel (1815-1905) sah Boissieus Druckgraphiken technisch und motivisch als vorbildhaft an und schätze ihn als einen der größten Graphiker der Vergangenheit.

Die Ausstellung ist in Kooperation mit der Graphischen Sammlung des Fachs Kunstgeschichte der Universität Trier entstanden.

Sie steht unter der Schirmherrschaft des Institut français du Luxembourg.

Katalog:   « Le Rembrandt français ». Jean-Jacques de Boissieu (1736-1810), Trier / Luxemburg 2015, 300 Seiten, Texte in Deutsch mit Abstracts in Französisch und Englisch,
ISBN 978-2-919878-06-2, 20 €

 

 

 

Datum

10. Oktober > 10. April 2016